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18. LIPP Symposium: "Grammatische Variation und Standardgrammatik"

"Grammatische Variation und Standardgrammatik"

15.11.2012

Zur Thematisierung des Symposiums

Rechtfertigung des Universalgedankens anhand Mikrovarianz: das quan­titative und das qualitative Argument

Arbeitsmethodisch ist der linguistische Universalgedanke wohl am besten zu verstehen als optimale komparative Arbeitsweise: d.h. wir gehen vom kleinstmöglichen Vergleich aus und erweitern den empirischen Spielraum in Kleinstschritten über genetische und areale Kriterien. Im Idealfall werden auch historische Stufen mit einbezogen, dies mit Blick auf das qualitative Kriterium zur Mikrolinguistik.
Es gibt zwei wichtige Blickpunkte zum Einschluss mikrolinguistischer Bemühungen in die lin­guistische Forschung: die quantitative und die qualitative. Unter der quantitativen Sicht erweitert sich das Datenfeld exponentiell und zwar unter der qualitativen Einschränkung, dass kein weiteres genetisches Kriterium davon berührt ist; die untersuchte Sprache bleibt innerhalb der genetischen Klasse. Unter qualitativer Sicht andererseits können sich Kodierungslücken grammatischer Funktionen beim Vergleich der Mikrodaten und der Makrodaten auftun, die – angesichts des Umstands dass Dialekte in Nischen (Wallis, Montafon) oder in großen Autonomie­bereichen (Deutschschweiz) oft Älteres bewahren – Zugang zur Diachronie der gesamten genetischen Klasse erlauben. Wenn dazu noch auch solche synchron ein­­flussreiche Substandardkodierungen in den Mikrolinguistikbereich eingehen, die aus sozial-politischen Gründen künftigen Wandel in der Standardsprache vorwegnehmen können, dann wird der Diachroniebereich um eine prospektive Sicht, soz. zum diametral entgegengesetzten Pol der Diachronie hin erweitert (Abraham 2005).

Eine wesentliche zu diesem Bereich gehörende Frage ist, inwiefern nichtschriftsprachliche Varianten überhaupt in den Blickpunkt der am UG-Ziel orientierten Linguistik geraten sollen, d.h. inwiefern solche Varianten überhaupt zur FL gehören. Diese Frage lässt sich gut an den reich vertretenen V-Komplexvarianten veranschaulichen: Welche Reihung deutet auf Basis-OV, was deutet auf VO und was auf OV/VO+OVO? Was besagen Mischformen (etwa OV/VO wie das Jiddische, Ndl. oder schweizerdeutsche Formen) für die UG-Lösung? Und: Was sind die funktionalen Erklärungen für diese Mischformen: Liegen sie auf der abstrakten Grammatik­ebene oder sind sie psychologischem Verarbeitungsdruck zu verdanken? Ist Verarbeitung unter diskursinformatorischen Gesichtspunkten zur Kerngrammatik gehörig oder nicht?

Dies zusammengesehen und unter dieser Generalmotivation bereits in Details aufgespalten umfasst die Kurztagung folgende Themen:

Variationsgrammatik zwischen Substandard und Hochsprache

  • Komparative Syntax auf Makro- und Mikroebene
  • V-Komplex und die OV/VO-Frage
  • Diachrone Infinitiv- und Gerundialentwicklung in Einbettung (Anhebung u. Kontrolle)
  • Variation über die DP-Struktur
  • Pronominalformen und deren strukturelle Leerbedingungen
    „Kiezsprache/Kiezdialekt“: natürlicher, nichtnormierter Sprachwandel und sein Erklärungspotential für die (weitere Entwicklung der) Standardsprache
  • Variationsgrammatik im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und den jeweils dominanten Textsorten (Dialogizität vs. Narrativität).